Johannadorn Überschrift
Johannadorn Biographie
Erinnerungen
Johanna Dorn, Seite 4

Dann aber fassten wir den Entschluß, von der Mühle Abschied zu nehmen. Inzwischen hatten wir zwanzig Jahre darin gewohnt. Wir bauten uns in Wernstein ein Eigenheim. Mein Mann Herbert bekam noch, während wir in Kneiding lebten, den Staatspreis für seine großartigen Holzschnitte. Er zählte schon damals zu den größten Graphikern Österreichs.
Nach mehreren Ausstellungen erhielten wir jedes Mal positive Kritiken. Wir wurden allmählich bekannter. Endlich kamen Aufträge ins Haus. Die Freude wurde aber nach wenigen Jahren getrübt. Mein Mann erkrankte. Er litt an Asthma, woran er 1981 auch verstarb.

                
Ich lebe mit der Familie meines Sohnes glücklich in Wernstein. Meine Schwiegertochter ist hier Lehrerin. Zwei Enkelkinder, Verena und Isabella, bereichern mein Leben. Eine Reihe von Reisen führte mich ins Ausland, ich arbeitete in Rom (Engelsburg, Peterskirche), in Florenz, Assisi, Cagnes sur mer, in Nizza, in Prag, in Hamburg, in Venedig und Chioggia.
In Hamburg malte ich zwei Bilder des Hafens. Vom Tropeninstitut erhielt ich die Erlaubnis, von einem schon etwas baufälligen Turme aus zu malen. Das war nun derselbe Platz, von dem aus Kokoschka sein Hafenbild gemalt hatte. An der Turmwand entdeckte ich ein flüchtiges Porträt von O.K. Da waren Risse und Schimmelflecken, die er zu einem Porträt ergänzt hatte. Seine Handschrift war nicht zu verkennen. Ich habe an Suben gedacht, an das kaum fünfjährige Kind, das Köpfe im gesprungenen Putz der Wände sah. Und nun hatte ich einen Kokoschka entdeckt.
Wernstein bietet viele Vorteile für eine Malerin: Das Licht, das Licht des Himmels, mein nordseitiges Atelier, sowie die Geborgenheit meiner Familie. Die Kubingalerie des Dr. Beham steht auch mir für Ausstellungen zur Verfügung. Freunde und Bekannte besuchen mich, holen mich, lassen sich porträtieren, verweilen vor den Arbeiten. Wernstein war ein guter Ort für meinen Mann Herbert Fladerer, und er ist es auch für mich.

Warum ist das Porträt mein zentrales Anliegen?

Nochmals muß ich mich in meine Kindheit zurücktasten. Nochmals die Risse in manchen Decken erwähnen, die Risse und Adern im Putz der Plafonds, die sich mir zu Köpfen gestalteten, die oft so vollkommen waren (oder es für mich wurden), dass es mich traurig stimmte, sie nicht nachzeichnen zu können. Vielleicht liegt hier die Wurzel, das Urerlebnis für meine spätere Liebe und Vorliebe zum Porträtieren. Als ich den zweiten Jahrgang der Lehrerbildungsanstalt besuchte, es war 1934, hatten wir einen Physiklehrer, dessen Gesicht mich immer zum Lachen reizte. Ich zeichnete ihn. Ich hatte mich nie vorher an ein Porträt gewagt. Die Zeichnung war nicht größer als 5-7 cm. Sie war jedoch treffsicher, charakteristisch, sie war ähnlich, so ähnlich, dass ich erschrak. Es kam mir tatsächlich so vor, als ob ich nie im Leben etwas Besseres machen würde. Leider ging mir die Zeichnung verloren, so dass ich diesen Eindruck nicht überprüfen kann. An der „Graphischen“ wurde mir zu wenig porträtiert, wie ich bereits erwähnte. Im letzten Jahrgang der Akademie malte ich meinen Mann Herbert Fladerer, meinen Vater Hans Dorn, die Vickl Marie, das Ehepaar Dollereder aus Suben und viele andere. Im Porträtmalen empfand ich eine noch größere Spannung als in der Landschaft oder bei Blumen. Zunächst bemühte ich mich um strenge äußere Ähnlichkeit. Ich malte naturalistisch, impressionistisch, wie ich es von meinem Lehrer Fahringer gelernt hatte. Die allmähliche Loslösung von dieser Richtung brachte große Probleme. Nicht nur, dass es mir nicht mehr genügte, das Äußere der Menschen zu erfassen, ich versuchte seine Persönlichkeit zu entdecken, es kam auch hinzu, dass ich, wie viele meiner Kollegen, von den unzähligen Richtungen in der Malerei verunsichert wurde. Mir war nicht klar, welchen Weg ich einschlagen musste. Da kamen mir die Franzosen zu Hilfe, ich entdeckte zufällig eine Karte mit einem Porträt Modiglianis, die ich mir sofort in meinem Zimmer aufhängte. Ich suchte eifrig nach Kunstkarten (Bücher konnte ich mir damals nicht leisten) und machte so – wie erwähnt – Bekanntschaft mit Matisse, Cézanne und van Gogh. Eine neue, wunderbare Welt tat sich mir auf. Die nun vor mir liegenden Jahre, viele an der Zahl, waren erfüllt mit Experimentieren und natürlich den Auftragsarbeiten. Ich ließ nicht locker. Der räumliche Hintergrund allein genügte mir nicht mehr, ich suchte mit Kleidern und Stoffen der Räumlichkeit entgegenzuwirken. Die Farbe des Hintergrundes wurde immer kräftiger, so dass sie mit dem Vordergrund auf einer Ebene stand.
Allmählich wurde mir das Suchen nach passenden Stoffen zu umständlich und ich ging dazu über, die Hintergründe auf Papier zu malen. Das tue ich auch heute noch: ich setze das Modell, den zu Porträtierenden, vor einen gemalten Hintergrund. Dieser ist für mich überaus wichtig: er ist abstrakt gehalten, ich versuche, ihn in Verbindung mit dem Gegenstand zu bringen. Die Arbeit, die ich mit großer Konzentration ausführe, geht schnell voran. Habe ich früher an einem Porträt oft zwei bis drei Wochen gearbeitet, so erreiche ich heute mein Ziel mit nur wenigen Sitzungen.
In letzter Zeit eröffnen sich mir neue Möglichkeiten in der Verdichtung von Farbe und Ausdruck. Als Beispiel dafür mag gelten: Sitzender mit weißer Kappe. Darüber etwas auszusagen, wäre heute jedoch verfrüht.

Herbst 1988



< Seite 3 | zurück zum Anfang
© 2009 Familie Thomas Fladerer und Verlag Wiesner Medien